Der Preisrückgang soll durch den Bau von europäischen Flüssigerdgas-Terminals (LNG) erreicht werden. Laut einer Studie des Energiewirtschaftlichen Instituts (EWI) der Universität Köln im Auftrag des deutschen Gasverbands Zukunft Gas könnte eine Preisentlastung bereits 2024 realistisch sein, wobei die Preise etwa 2026 ein mit 2018 vergleichbares Niveau erreichen könnten, wenn Russland zumindest teilweise in den Handel einbezogen wird.
Abhängigkeit von Russland verringern
Es ist kein Geheimnis, dass Europa sich von seiner derzeitigen Abhängigkeit von russischem Gas, auch über die USA, befreien möchte. Die Studie schätzt, dass Russland bis 2030 zum größten Lieferanten der EU werden könnte. Laut EWI haben die europäischen Länder im vergangenen Jahr 147 Milliarden der 361 Milliarden Kubikmeter Gas aus Russland, 82 Milliarden aus Norwegen und 22 Milliarden aus den USA bezogen. Sollte Russland nicht an der EU-Abnahme beteiligt sein, könnten die Importe aus den USA im Jahr 2026 bereits rund 130 Milliarden Kubikmeter betragen. Die Bedeutung von Katar, mit dem die europäischen Länder derzeit verhandeln, dürfte sich nach den Ergebnissen des Instituts jedoch in Grenzen halten.
Ohne Russland werden die Preise steigen
Das EWI erwartet nicht, dass die Großhandelspreise für Gas in Nordeuropa auf das Niveau von 2018 zurückkehren werden, als sie am Handelsknotenpunkt Title Transfer Facility (TFF) in den Niederlanden im Durchschnitt den niedrigsten Stand seit 20 Jahren erreichten, wenn Russland vollständig vom Handel ausgeschlossen wird. Sollte dieses Szenario eintreten, rechnet das EWI damit, dass die Preise im Fall einer geringen Nachfrage bis 2026 auf das Niveau von 2021 und im Fall einer hohen Nachfrage bis 2030 zurückkehren werden. "Bei weltweit sinkender Nachfrage kann das Preisniveau von 2018 aber auch ohne russisches Gas bis 2030 erreicht werden", sagte Verbandschef Timm Kehler auf einer Pressekonferenz.
Preisvereinheitlichung
Der rasche Bau von LNG-Terminals in Europa dürfte zu einer Vereinheitlichung der Gaspreise in Europa und Asien beitragen, so Kehler weiter. Nach Angaben von TFF lag das Preisniveau 2018 bei 24 € pro Megawattstunde und bei 54 € pro Megawattstunde im Jahr 2021, dem höchsten Jahresdurchschnitt der letzten 20 Jahre. Der Bau von LNG-Terminals wurde von den europäischen Ländern aufgrund der unsicheren Lieferungen aus Russland nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine und den anschließenden Sanktionen westlicher Staaten gegen die russische Supermacht in die Wege geleitet.
Während 2021 die Gaslieferungen über Pipelines in die EU noch 75 Prozent ausmachten, könnten sie in Zukunft auf 40 Prozent sinken.
Aktuelle Preisentwicklung
Der Preis für den Terminkontrakt zur Lieferung im Oktober 2022 liegt laut TTF derzeit bei rund 185 Euro pro Megawattstunde. Zum Vergleich: Im August lag er bei 346 Euro pro Megawattstunde.*
Die Entwicklung des Futures-Kontrakts in den letzten zwei Jahren. (Quelle: Theice.com)
Die Realität kann anders aussehen
Es ist jedoch anzumerken, dass in der Studie des Instituts verschiedene mögliche Szenarien mit hoher und niedriger Gasnachfrage und mit einer vollen, teilweisen oder gar keiner Beteiligung Russlands am europäischen Handel untersucht wurden. Es ist daher wichtig zu bedenken, dass es sich hierbei nur um Modellsituationen handelt, deren tatsächliche Entwicklung letztlich von der tatsächlichen Entwicklung der Preise, der Nachfrage und der Importkapazitäten abhängen wird.
Olivia Lacenova, Analystin bei Wonderinterest trading Ltd.
* Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist keine Garantie für zukünftige Ergebnisse.