Der grüne Übergang des Energiesektors in der Europäischen Union wird ohne Atom- oder Gaskraftwerke nicht möglich sein. Das hat die Europäische Kommission zum Jahreswechsel erkannt und beide Quellen in die so genannte Taxonomie - eine Liste umweltverträglicher Energiequellen - aufgenommen.
Auf den ersten Blick mag das wie ein Zugeständnis an die Länder erscheinen, die mit ihren fossilen und nuklearen Kraftwerken Nägel mit Köpfen machen, doch in Wirklichkeit ist es ein Sieg des gesunden Menschenverstands. Natürlich will niemand den Planeten (oder die Atmosphäre) zerstören, indem er unbegrenzt Strom oder Wärme durch die Verbrennung von Kohle erzeugt, aber eine vollständige Umstellung auf vollständig erneuerbare Ressourcen kann als extreme und ungleiche Bedingung für das Erreichen der Kohlenstoffneutralität angesehen werden.
In beiden Fällen, Atom und Gas, hat die Europäische Kommission die Bedingungen festgelegt, unter denen diese Ressourcen entwickelt werden können. So wird es notwendig sein, dem Erdgas schrittweise nicht-fossile Gase, insbesondere Wasserstoff, beizumischen. Kernreaktoren werden gebaut werden können, wenn sie bis 2040 bzw. 2045 eine Baugenehmigung erhalten, und bis Mitte dieses Jahrhunderts wird das Land über ein Tiefenlager für verbrauchte radioaktive Abfälle verfügen müssen.
Entgegen der landläufigen Meinung wird der Kern nicht 2045 enden. Es wird möglich sein, auch später noch Kernreaktoren zu bauen. Allerdings unter der Bedingung, dass es sich um Reaktoren der vierten Generation handeln muss. Die derzeitige Generation muss bis 2040 einen Stempel erhalten, und bis 2045 diejenigen, die die besten zu diesem Zeitpunkt existierenden Technologien nutzen werden. Obwohl es heute noch keine Reaktoren der vierten Generation gibt, so Martin Špolc, Leiter des für die Taxonomie zuständigen Expertenteams, könnte sich dies in 25 bis 30 Jahren ändern. Dabei handelt es sich um geschlossene Reaktoren, die die Produktion von Atommüll minimieren können.
Die Aufnahme der Kernenergie in die Gruppe der sauberen Energiequellen wird sicherlich unter anderem von Frankreich begrüßt, das sich seit vielen Jahrzehnten auf Kernkraftwerke verlässt. Aber auch Frankreich will nicht auf der Stelle treten. Der französische Präsident Emmanuel Macron kündigte im vergangenen Herbst an, dass Frankreich den Bau von Atomreaktoren wieder aufnehmen werde. Allerdings handelt es sich dabei um kleinere Quellen mit einer Leistung von rund 170 Megawatt. Eine solche Strategie scheint vernünftig und effektiv. Aber Frankreich hat den Bau größerer Anlagen, wie z.B. des Kraftwerks Flamanville, noch nicht aufgegeben.
Die Frage der Kernenergie hat natürlich nicht nur einen ökologischen Aspekt.Da die klimatischen und natürlichen Bedingungen für die Nutzung dieser oder jener Ressource in jedem Land anders sind, hat die Frage des Energiemixes auch eine starke Dimension der Energiesicherheit.